Freitag, 9. September 2011

Der Nürburgring und seine Tücken



Jetzt geht’s ans Eingemachte. Der Nürburgring ruft zum 3-Stunden-Eifelrennen über den GP-Kurs mit Mercedes-Arena und der Nordschleife. Mit über 25 km Länge, pro Runde wohlgemerkt, die längste Rundstrecke der Welt!
 „…und, wie viele Runden seid ihr gefahren?“. „…na, vierzehn. Das Rennen ging ja nur drei Stunden!“

Dönnerdach
Wie fast immer reisen wir schon am Donnerstag an. Hans ist schon vor mir da und hat uns einen schönen Platz im Fahrerlager gesichert, der dann später auch noch für die Sommerbergs mit ihrer Ziege und dem E12 Renn-BMW  reicht. Außer der Papier-und Fahrzeugabnahme passiert an diesem Tag aber nicht mehr viel und wir lassen den Abend im Lindenhof bei Schnitzel und Bier ausklingen.

Friedoag
Am Freitag habe ich mir dann schon die ersten Rennen angesehen und mich mit der Rennstrecke beschäftigt. Normalerweise gehe ich -wie aufmerksame Leser der anderen Blogeinträge schon wissen sollten- Abends einmal um die Strecke. Das habe ich mir allerdings diesmal aus Sicherheitsgründen gespart. Bei einer Länge von 25 km hätte ich bestimmt durch Verwirrung mehrere Runden im Karussell gedreht oder wäre noch irgendwo zwischen Wippermann und Tiergarten verschollen.

Also habe ich mich in den Wochen zuvor schon mit der Playstation,  On-Board-Videos und mit der Ideallinie der Nordschleife, die Rennfahrer Jörg Müller auf ein paar Seiten seines Buches beschreibt, beschäftigt. Hans hielt nicht viel davon, aber ich wollte es unbedingt lesen. Irgendwas bleibt ja schließlich immer hängen. So zum Beispiel ein Satz, den Müller, wie einen wiederholenden Hip-Hüpf-Beat, auf jeder Seite auftauchen lässt:  „Bitte tasten Sie sich an ihren persönlichen Grenzbereich Schritt für Schritt heran“.

Von Hip-Hüpf halte ich nicht viel, mir ist die Rockmusik doch um einiges lieber, aber diesen Ratschlag sollte ich wohl besser beherzigen. Es ist ja auch nicht nur Jörg Müller (Wer?) der ihn gibt;  ähnliche Ratschläge haben schon ziemlich alle nordschleifenerfahrenen Haudegen den Greenhorns mit auf die Strecke gegeben. Völlig zu Recht - wie sich später heraus stellte. Man sollte auf jeden Fall viel Respekt haben und immer auf der Hut sein, da es auf der Nordschleife immer wieder Überraschungen gibt. Dabei sind es selten schöne Überraschungen. Man kann es wohl mit Ü-Eiern und ihrem Inhalt vergleichen. Da wünscht man sich nichts sehnlicher, als das blöde Nilpferd mit dem Schlagschrauber und bekommt doch immer nur den bekackten Zimmermann mit dem Fuchsschwanz. Auf den Nürburgring übertragen, bekommt man also hinter jeder neuen Kurve oder hinter jeder Kuppe, etwas, das man gar nicht haben will oder schon hatte. Das kann nur ein Mordsspaß werden!  Abends kam Mido dann noch dazu, um uns dieses Wochenende zu unterstützen. Nachdem er uns dann auch bei der Vernichtung von ein paar Bieren sehr geholfen hatte, machten wir rechtzeitig Feierabend, denn wir mussten ja wieder früh raus.

Sünnobend
Am Nächsten Morgen war es dann soweit. Der Wecker meldete sich ungewohnt früh. Halb sieben, es war noch nicht einmal richtig hell, da war die Nacht schon zu Ende. Dichter Nebel lag über dem Ring. Die Sicht lag unter 50 m. Obwohl es in den letzten beiden Tagen geregnet hatte, war die Wettervorhersage gut für diesen Samstag. Sonne und über 20 Grad wurden vorhergesagt. Um 8 Uhr sollte das Training beginnen. Nachdem Wolfgang und ich uns dafür fertig gemacht hatten und in der Boxengasse schon in Wartestellung waren, gab es schon die erste Überraschung. Aufgrund des Nebels wurde das Training um fast eine Stunde verschoben.



Als es dann hinter dem Safty Car gestartet werden sollte, versuchte ich noch die On-Board-Kamera zu aktivieren. Die Betonung liegt auf  "versuchte". Denn die Kamera von Arne war mir  noch irgendwie fremd und da habe ich die Aufnahme gestartet  und kurze Zeit später wieder gestoppt, da ich den Aufnahmeknopf zweimal gedrückt hatte. Ein klarer Bedienerfehler, den ich leider erst später realisiert habe. Schade eigentlich aber was soll man machen.

Während Wolfgang seine Runden drehte, kämpfte sich die Sonne langsam durch den Nebel und die Sicht wurde immer besser. Dann kam der Fahrerwechsel und Wolfgang gab mir noch mit auf  den Weg, dass es teilweise sehr glatt sei und ich aufpassen solle. Alles klar, los geht’s und ich fahre über den - mir schon bekannten - GP-Kurs. Am Ende kann man entweder rechts durch die Coca-Cola-Kurve wieder auf die Start- und Ziel-Gerade fahren, um eine neue schnelle Runde zu beginnen oder nach links durch das Tor zur „grünen Hölle“ auf die Nordschleife fahren. Ich wähle die zweite Variante und gleich in der ersten Kurve in Richtung Hatzenbachbogen, fängt der Wagen etwas zu rutschen an, da die Fahrbahn hier noch feucht ist. Sofort überholt mich ein schneller Porsche, setzt sich vor mich, bremst und fährt langsam durch den Hatzenbachbogen. Auch hier ist die Passage sehr rutschig und ich bin vorsichtig in den nächsten Kurven. Allgemein auch erst mal zurückhaltend in dieser  Runde.  "Daumen hoch" zeige ich Hans, Wolfgang und Mido als ich dann zum ersten Mal an der Boxenmauer vorbei fahre. Keiner der Ring-Haudegen hat aber gesagt, das der Nürburgring eine strenge und untröstliche Geliebte in engen Strapsen ist, die einem keinen Fehltritt verzeiht. So musste ich mir ja zwangsläufig eine schallende Ohrfeige von ihr einfangen.



Gerade wo ich begann, mich sicher zu fühle, der Strecke nicht mehr die absolute und schweißtreibende Aufmerksamkeit schenkte, die sie ohne Zweifel forderte und von einem Anfänger auch verdiente, strafte mich der Ring mit etwas Unvorhergesehenem. Einem weiteren Ü-Ei-Zimmermann, wenn ich das Bild von eben nochmal aufgreifen darf. Am Ende der Start/Ziel- Geraden bremste ich spät um die erste Rechtskurve an zu fahren -  viel ZU spät. So spät, dass ich Anne fast in den Kies haue. Aber eben nur fast und so konnte ich meine Fahrt vorsetzen. So schnell kann es gehen, wenn man den Ring unterschätz, denn an der Stelle geht es leicht bergab und feucht war es auch noch. Den Zuschauern hat es bestimmt gefallen. So kann man auch auf sich aufmerksam machen. Der Ring auf sich und ich mich auf die Zuschauer. Dieser - ich will mal - "Verbremser" sagen, war dann der Beginn der Vier-Jahreszeiten-Runde: Der erste Abschnitt war noch nass, rutschig und nebelig, dann wurde es teilweise trocken und ab der Hälfte kamen Sonne nebst Blendeffekt an der hohen Acht.  Nur Schnee hatte ich nicht.  Das ist eben die Eifel! Ohne  Komplikationen konnte ich dann die zweite Runde und das Training beenden und muss feststellen, dass es diese Wochenende nur einen Gegner für mich gibt. Nämlich ich selber, da ein kleiner Fehler auf der Nordschleife schnell das Aus bedeuten kann.

Nachdem wir „Anne“ dann für das Rennen vorbereitet haben, ging es auch schon um 14 Uhr  in die Startaufstellung. Da insgesamt 158 Wagen für das 3-Stunden-Rennen an den Start gingen, wurde in drei Gruppen gestartet. Genau wie beim legendären 24h-Rennen. Wir waren in der letzten Gruppe und  ich wollte den Start fahren um auch von hinten erst mal Ruhe vor schnelleren Fahrzeugen zu haben.


Nachdem ich ewig lange beim Vorstart stand und mir  Kortes Gesellschaft leisteten, fuhren wir endlich in die Startaufstellung und warteten wiederum auf die Einführungsrunde.

Dann ging es endlich los. Es war schon ein tolles Gefühl diese Zusatzrunde bis zum Start  über die Nordschleife zu fahren. Alle Streckenposten und Zuschauer zeigten "Daumen hoch" oder haben uns zu gewunken, als ob sie uns damit „viel Glück“ sagen wollten. Zeitweise ging es schon zügig voran und unterschied sich kaum noch von dem Renntempo. Ab der Döttinger Höhe hatte sich das Feld schon etwas auseinander gezogen und ich musste schon richtig Gas geben um dran zu bleiben, was mir aber auch gelang. So ging es dann auch gleich voll aus der Hohenrain-Schikane und bevor ich die eigentliche Startlinie überqueren konnte, gab es auch schon den ersten Zwischenfall. Ein harte Gegenstand flog mir direkt mittig auf die Scheibe und ich hatte einen  schönen Steinschlag von ca. 8cm Durchmesser. Kein Carglass in Sicht. Na toll. Egal, weiter geht’s und ich versuche erst mal den Überblick zu behalten, denn einige Mitstreiter schienen hier um ihr Leben zu fahren und bevor die mich mit ins Jenseits reißen, lies ich Sie einfach vorbei. Ein gutes Beispiel für Übereifer ließ auch nicht lange auf sich warten, denn kurz vorm Abschnitt Wehrseifen schwenkten die Streckenposten schon doppelt Gelb, da ein Alfa einen heftigen Einschlag in die Planke hatte und das Auto nun stark beschädigt mitten auf der Fahrbahn stand (ist im Video zu sehen). Ihm folgten auch noch einige und es schien so als ob alle paar Hundert Meter einer liegen blieb. Ich wollte nicht zu ihnen gehören,  konzentriere mich auf die Strecke und hängte mich an einen alten 911er, der etwas langsamer als ich unterwegs war und dessen Motor immer leichte Rauchzeichen gibt.



Wenn der Motor jetzt den Dienst quittiert dann bin ich geliefert, also versuche ich ihn zu überholen - was aber gar nicht so einfach war. Er wollte sich wohl auch nicht einfach von einem 1300er überholen lassen. In manchen Kurven war ich schon neben ihm aber auf den Geraden zog er wieder etwas davon. So ging das eine ganze Weile, und Langeweile, die einem die Nordschleife eh nicht verziehen hätte, kam nie auf. Immer wieder wurde man quasi in die Konzentartion gezwungen, da langsame, defekte oder abschleppende Fahrzeuge zu überholen waren, oder  auch gelbe und gelb/rote Flaggen eine Gefahrensituation signalisierten. Das hat richtig Laune gemacht und obwohl es auch sehr anstrengend war über die Nordschleife zu rasen, kann ich nur sagen, dass es das defini und tief wert war.

Nach einiger Zeit war ich wieder dicht an dem Porsche dran und irgendwie habe ich es geschafft ihn im Bereich Eschbach, einer Linkskurve, außen zu überholen und dann vor ihm ins Brünchen ein zu biegen (im Video zu sehen). Der Absolute Wahnsinn! Bis dahin lief alles gut für mich auch wenn ich die Konkurrenten Bellersheim seit dem Start nicht mehr gesehen hatte. Wie viele  Runden ich bis dahin  gefahren bin wusste ich nicht mehr. Aber Hans wird mir ja ein Zeichen geben wenn ich reinkommen soll und da kam sie auch schon, die Ford Fahne. Das erste was mich aber stutzig machte war, das Wolfgang noch nicht  komplett in seinen Rennklamotten steckte. Naja, denke ich, er wird schon wissen was er tut. Also fahre ich über die GP-Strecke und biege nicht auf die Nordschleife ab sondern durch die Boxeneifahrt (alle Nordschleifenerfahrene werden jetzt die Hände über den Kopf zusammen schlagen) in Richtung Box. Da sind in der Einfahrt hohe Reifenreihen zu einer Schikane aufgebaut. Merkwürdig denke ich und fahre weiter in die Box, aber ich sehe niemanden, der dort bereit steht.



Bis ich den Hans plötzlich flink wie ein Wiesel durch die Gasse rennen sehe. Ich fahre an die Zapfsäule, steige aus und helfe Wolfgang in den Sitz. Danach versuche ich Hans noch zu helfen aber der scheint irgendwie gereizt zu sein. Was hat er nur? Noch kurz getankt,  Öl geprüft und schon konnten wir Wolfgang wieder ins Rennen schicken. Dann ging Hans zur Seite und winkte mich zu sich. Da gab es dann erst mal einen Elfmeter. "Was machst du denn jetzt schon hier?! ……..piiiiiiiiieeeep…piiiiiieeep…………!" Ich hätte doch noch eine Runde über die Nordschleife drehen müssen und dann durch die richtige Boxeneinfahrt rein kommen sollen. Ich frage noch "Welche Boxeneinfahrt? Im Training habe ich da keine gesehen." Aber Hans hatte sich schon wieder beruhigt und mit den Worten“…so, jetzt haste genug Feuer gekriegt. Bist trotzdem  gut gefahren. Und geh da mal gucken, dann siehst du die Boxeneinfahrt!“ beendet er das Gespräch.

Da ich total durchgeschwitzt  war, ging  ich erst mal zu unserem Camp, um was zu trinken und mich ein paar Minuten hin zu setzen. Danach bin ich dann Richtung Anbindung Nordschleife /GP-Strecke gegangen und Tatsache: da gibt es eine Boxeneinfahrt. Ist ja Verrückt, die habe ich vorher nie gesehen aber wenn ich mich recht erinnere dann ist beim 24h-Rennen dort auch eine.  Also nochmal, was war passiert: Beim ganzen Nordschleife lernen habe ich die Boxeneinfahrt komplett außeracht gelassen und bin dann im Rennen  durch die Kurzanbindung oder Noteinfahrt  wie im Training in die Box gefahren. Dadurch bin ich die GP-Strecke einmal völlig umsonst gefahren und  eine Runde zu früh rein gekommen.  Das erklärt auch den unvorbereiteten Wolfgang an der Boxenmauer, die hohen Reifenreihen in der Einfahrt und die völlig überraschte  Boxencrew.  So können einem die einfachsten Dinge zum Verhängnis werden. Das ist halt der Nürburgring mit seinen Tücken. 



Ich gehe wieder zur Mido und Hans an die Boxenmauer und messe noch die letzten Rundenzeiten von Wolfgang, der fast eine halbe Minute schneller fährt als ich. Aber mit 35 Jahren Motorsporterfahrung sollte das ja auch so sein. Er bringt Anne noch heil ins Ziel und wir sind froh alles ohne größeren Ausfall überstanden zu haben. Es reicht  nur für den dritten Platz aber wir sind zufrieden. Vor uns siegt der NSU von Backes und Bellersheim wird Zweiter. Bei einer späteren Zeitenanalyse stellen wir fest, dass wir gar nicht so langsam unterwegs waren  und ohne meine „Show-Runde“ über den GP-Kurs wären wir sogar  Zweiter geworden.“ Verdammt!!!“  Naja, beim nächsten Mal.
Nach dem Rennen sind wir  wie immer noch  Essen gegangen und haben dann im Camp noch ein paar alkoholische Getränke zu uns genommen, aber für eine Party hat der Akku dann nicht mehr gereicht. Wir, hauptsächlich ich, waren einfach geschafft.

Sünndag
Und so konnten wir am nächsten Tag früh raus und noch ein paar Rennen sehen, bis wir dann mittags Richtung Heimat aufgebrochen sind und die wahrscheinlich anspruchsvollste und geilste Rennstrecke der Welt verließen, den Nürburgring.

 Aber eins steht fest: Muskelbärchen wird  wieder kommen, die richtige Boxeneinfahrt treffen und das mit einer Hand breit Sprit im Tank . . . . .!

[ck]