Dienstag, 1. März 2011

Männer, Motoren, Maaslingen - Ein Christian Kocher Roman




Sportliche Erfolge von Christian Kocher:





Lesen Sie, wie es dazu kam:

Die Wagen fliegen mit lautem Motorengebrüll über die Acker-Piste. Annähernd 300 Menschen verfolgen das Spektakel, sei es als Zuschauer oder als Helfer. Bier- und Bratwurstbuden, Zelte, Wohnwagen und ganze mobile Werkstätten. An dem Podest der Rennleitung weht eine Jägermeister-Fahne im trüben, benzingetränkten Wind. Steine, Erde und Staub werden von den groben Stollenreifen aufgewühlt und in alle Richtungen verteilt. Eine Rechtskurve: ein Wagen biegt sich nach außen, beginnt zu driften, droht sich zu drehen, bleibt aber in der Spur und überholt am Kurvenausgang einen anderen Wagen. Ohrenbetäubend quittiert der Bolide das herunterdrücken des Gaspedals mit einer brachialen Beschleunigung und einem Brüllen, das man den vier apokalyptischen Reitern während des jüngsten Gerichts zugestanden hätte aber niemals einem Auto. Schnell schließt der Wagen auf seinen Vordermann auf, fährt ihm mit aller Macht ins Heck und dreht ihn unversehens im Eingang der nächsten Kurve. Eine Stimme aus dem Lautsprecher dröhnt unverständliches. Der Wagen taucht fast lässig  am Kurvenausgang auf. Nur noch wenige Zentimeter und die Vollgas-Gerade wäre wieder erreicht. Plötzlich ein Knall: der Rennwagen schlägt heckvoraus in die aufgeschüttete Erd-Bande ein und der vorher Überholte zieht seelenruhig an ihm vorbei. Für den am Rand stehenden Wagen und dessen Fahrer ist das Rennen gelaufen: Hinterachsbruch! Kein Problem: Das ist Stock-Car.

Männer und Motoren
Um etwas über Stock-Car zu erfahren, fährt man am besten aufs Land.
Wiesen, hohe Bäume, Ruhe und Abgeschiedenheit.
Ein Urlaubsparadies für gestresste Manager so könnte man meinen.
Keine Menschenseele ist auf den schmalen Straßen des kleinen Örtchens Maaslingen im schönen Mindener Umland zu sehen.
Die vielen Bauernhöfe scheinen verweist zu sein. Einzig Traktoren, die wie metallene Leistungsschwimmer, fast stoisch ihre Bahnen über die Äcker ziehen, lassen erahnen, dass hier Menschen leben. Ab und an sieht man Katzen auf Beutezug über die Straßen laufen.
Das einzige Geräusch weit und breit: Hundegebell.
Ganz Maaslingen scheint ein kleines, verschlafenes Nest zu sein, in dem nichts aber auch gar nichts passiert. Ganz Maaslingen? Nein! Ein kleines Bauernhaus will so gar nicht in das Gesamtbild passen: Hier regieren Männer und Motoren.
Maaslingen: Motorsport-.Mekka
Das alte Haus mit dem großen Hof, der alten Scheune und dem zugewachsenen Teich ist die Heimat von Christian Kocher, Nord-West-Deutscher-Stock-Car-Meister.
„So ist Stock-Car“, sagt er. „Man dreht und man wird gedreht.“, er macht eine kurze Pause und fügt
lachend hinzu: „und manchmal wird man auch überschlagen.“ Dass Christian Kocher im weitesten Sinne Rennfahrer ist, sieht man ihm nicht an. Viel mehr denkt man bei einem Rennfahrer an die Vettels, die Röhrls, und die Alonsos, die in ihren sauberen Rennoveralls in Hochglanz-Flitzern sitzen und angespannt auf das Grün der Ampel warten. Kocher, der mit seinen 35 Jahren mit wilden Haaren und Werkstattklamotte auf einem Stuhl in seiner Küche sitzt, passt eigentlich so gar nicht in dieses Bild. 


Kein Rennfahrer, Motorsport-Enthusiast!

Er sei auch kein Rennfahrer, betont Kocher mit erhobenem Zeigefinger, er  sei Motorsport-Enthusiast mit einer Affinität zum Stock-Car fahren. Als er als Kind das erste Mal mit seinem Vater und seinem Onkel ein Stock-Car-Rennen besuchte, hat es ihn sofort mitgerissen.
Die Autos, der Lärm, der Wettkampf – es war seine Welt. Seither hegte er nur einen Wunsch: Auch einmal Stock-Car-Fahrer zu werden. Mit 13 lernte Kocher Auto fahren - wie es der Zufall so wollte -in einem Stock-Car-Wagen. Den hatte sein Vater, der kurzzeitig selbst vom Stock-Car-Virus befallen war, angeschafft. Allerdings fuhr er mit ihm kein einziges Rennen und der Wagen verkümmerte im Garten. Also stieg der 13 jährige Christian Kocher in den rostigen Boliden und raste über den Acker hinter seinem Elternhaus. Ärger, sei es von den Eltern oder vom Besitzer der provisorischen Rennstrecke, hatte er nie bekommen.

Doch die Freude über den Stock-Car-Wagen währte nicht lange. „Ich glaube, der ist dann irgendwann mal abgebrannt und dann hatte sich die Sache erstmal erledigt“, sagt Kocher heute leicht wehmütig. Es rückten andere Dinge in den Mittelpunkt. Erst mit 18 kam Kocher zum Stock-Car zurück. „Nachdem ich den Führerschein hatte, bin ich so ziemlich zu jedem Rennen gefahren und habe es mir angesehen.“ Das erste eigene Amateur-Rennen fuhr er mit 19 auf einem Acker im Nachbardorf. „Das Rennen hatte herzlich wenig mit professionellem Stock-Car zu tun und wurde von einer Fahrschule veranstaltet.“ „Jeder, der einen Wagen hatte, konnte nach Lust und Laune daran teilnehmen und ihn zu Schrott fahren.“ Dass Kocher bei diesem ersten Renn-Versuch nach Strich und Faden versagt hatte, stört ihn heute nicht mehr. Entmutigt hat ihn das nicht, eher noch bekräftigt, es jetzt erst recht richtig professionell zu versuchen.
Wieder kam ihm der Zufall zu Hilfe, denn als er an einer Tankstelle jobbte, kam ein alter Ford Granada an die Zapfsäulen gefahren, auf dessen rechter Seite in großen Lettern „Renngemeinschaft Bohnhorst“ geklebt war. 

Mein Team? RG Bohnhorst!
Die Renngemeinschaft Bohnhorst gehört zu den zahlreichen Stock-Car-Clubs in Deutschland.
Wer hier Mitglied ist, fährt bei den Profis. Kocher packte die Gelegenheit beim Schopf, verließ seinen Posten hinter dem Tresen und verwickelte den Fahrer des Granadas in ein Gespräch, noch bevor dieser nach dem Zapfrüssel greifen konnte. So lernte er Michael Buchholz, den damaligen Chef des Stock-Car-Teams der Renngemein
schaft Bohnhorst kennen. Dieser nahm Kocher unter seine Fittiche, besorgte ihm einen Wagen, zeigte ihm, wie man daraus einen brauchbaren und konkurrenzfähigen Stoppelfeld-Renner machte, brachte ihm die Kniffe des Stock-Car-Rennens bei und stellte Kocher als neuen Fahrer der Renngemeinschaft auf. 

Auf dem Weg zum Meistertitel
„Für mein erstes Profi-Rennen habe ich damals hart geschuftet“.
Kocher mietete eine Halle, die seine Werkstatt wurde und begann seinen ersten Stock-Car-Wagen zu bauen. Dass er kein KFZ-Mechaniker war, hinderte ihn nicht daran, alles selbst zu machen. Kocher lernte die mechanischen Feinheiten schnell.  Mit etwas Starthilfe durch die Renngemeinschaft Bohnhorst, die ihm Reifen, Überrollkäfig und einen Motor besorgte, konnte er seinen ersten Stock-Car-Wagen konstruieren.
Ein konkurrenzfähiges Auto auf die Räder zu stellen ist keineswegs eine einfache Aufgabe. Um an Stock-Car-Rennen teilzunehmen muss ein ganzer Katalog von Sicherheitsmaßnahmen erfüllt werden. Vor jedem Rennen werden die Wagen von einer Rennleitung abgenommen. Alle Teile, die in irgendeiner Form gefährlich werden können, müssen entfernt werden. Kühler und Batterie müssen in den Innenraum verlegt werden. Ein Überrollkäfig ist Pflicht, auch ein Spritzschutz für austretendes Kühlwasser muss vorhanden sein und ganz wichtig: fest verschraubte Hosenträgergurte. Andere Umbauten, wie Motortuning und selbstgefertigte Stollenreifen sind erlaubt, liegen aber im Ermessen des Erbauers.
 Aus dreien wird ein  Monat
Für die Umbauten brauchte Kocher zu der Zeit noch fast drei Monate. Heute braucht er für ein schnelles Auto gut einen Monat. „Wenn`s schnell gehen muss, kann man auch ein passables Auto an einem Wochenende aufbauen. Man kennt sich halt mittlerweile bestens mit den Fords aus und hat auch so ziemlich jedes Teil auf Lager.“ Ford ist bei Kocher ein großes Thema. Schon früher hat er die großen Modelle der 70er und 80er Jahre geliebt. Ob Capri, Taunus oder Granada - sie alle übten auf ihn eine besondere Faszination aus. Aufgrund ihrer Größe, ihres recht hohen Gewichts, ihrer Motorleistung und ihrer Robustheit eignen sich diese Modelle auch vorzüglich zum Stock-Car fahren.
Mit seinem ersten Auto fuhr er möglichst jedes Rennen mit und wurde immer besser.
„Und irgendwann hatte ich mein eigenes Team, das sich bei technischen Problemen nur um meinen Wagen kümmerte“. Er hatte sein Ziel erreicht, er war Stock-Car-Fahrer.
Im Stock-Car gibt es drei Klassen. Die erste bis 1,5 Liter, die zweite bis 1,9 und die dritte bis 3 Liter Hubraum. Kocher fährt in der dritten Klasse. Die Königsklasse.
Drei unterschiedliche Typen von Rennen können bestritten werden: Speedway, Crash-Rennen. und schließlich das Rodeo, bei dem alle Klassen zusammen fahren und derjenige gewinnt, der als letztes noch fahren kann. 

Gegner rammen macht Laune
Stock Car ist für Kocher eine ganz besondere Herausforderung:
"Erstmal macht es natürlich Laune, die Gegner zu Rammen. Aber für mich ist es mehr ein Geschicklichkeitsrennen“, Kocher hat sich kerzengerade hingesetzt und gestikuliert mit den Händen: „Es geht ja nicht nur ums Auto kaputtfahren, sondern man dreht die Gegner und sammelt dadurch Punkte. Man fährt die anderen Wagen nicht mutwillig zu Schrott, denn man kann in der nächsten Runde wieder Punkte an ihnen machen. Ich hab also nichts davon, wenn mein Gegner ausfällt. Ich will auf sportlicher Ebene gegen ihn gewinnen.“ Kochers Kopf ist von seinen Ausführungen rot angelaufen und eines wird klar: Er liebt diesen Sport!
“Allerdings ist es auch für viele nur ein reines Crashrennen.“ Er macht eine kurze Pause und fügt etwas bitter hinzu: „Die wissen gar nicht, was sie tun.“
Die Rennen finden saisonbedingt statt, da die Veranstalter auf die Äcker der Landwirte angewiesen sind und diese sich nur nach der Ernte befahren lassen.
„Man hat also eigentlich viel Zeit, ein anständiges Auto für die gesamte Saison zu bauen, das auch was hält.“

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„Fürs Stock-Car fahren gibt’s leider kein Geld, nur Pokale.“ Und Pokale hat Kocher reichlich. Sie stehen in der Küche, im Wohn- und Schlafzimmer und in der Werkstatt.
Seine Familie hat Verständnis für seine Leidenschaft. Sein Vater schaut hin und wieder bei Rennen vorbei. Auch seine Mutter hat sich mittlerweile mit der Passion ihres Sohnes abgefunden. „Meine Mutter hielt es immer für zu gefährlich, bis sie einmal ein Rennen besuchte und sah, wie viel wert dort auf Sicherheit gelegt wird.“ Von schweren Verletzungen ist Kocher glücklicherweise bisher verschont geblieben.
Die Zukunft sieht gut aus
Nach annähernd 15 Jahren Stock-Car, ist Kocher sehr zufrieden mit der Entwicklung des Sports.
Nicht zuletzt durch Stefan Raabs Stock-Car-Challenge gründen sich viele neue Stock-Car-Clubs und durch das Internet wachsen selbst viele alte Clubs wieder zusammen.
Sogar internationale Wettbewerbe werden, wie im Mai 2007 im Münchener Olympiastadion, veranstaltet und es sieht so aus, als würde in den nächsten Jahren um eine offizielle Stock-Car-Europameisterschaft gefahren werden.

Mein Auto Fährt auch Ohne Wald
Selbst in Zeiten, in denen jedes zweite Wort Umweltschutz ist, kann sich Stock-Car behaupten.
Obwohl sich einige Landwirte mittlerweile sträuben, ihre Äcker zur Verfügung zu stellen, werden weiterhin viele Rennen gefahren, denn gerade bei Stock-Car-Rennen wird Umweltschutz großgeschrieben:
Tritt bei einem Unfall Öl aus, wird die Erde von einem Trupp der örtlichen Feuerwehr abgetragen und fachmännisch entsorgt. Auch im Fahrerlager darf nur auf Planen an den Autos gearbeitet werden.


Die brüllenden Boliden werden also auch in Zukunft über deutsche Äcker pflügen. Ob Kocher allerdings noch lange im Schalensitz Platz nimmt, kann er beim besten Willen noch nicht sagen. Nach sechs Nord-West-Meisterschaftstiteln, und einer gewonnen Europameisterschaft wird es für ihn nun Zeit, etwas neues auszuprobieren. „Ich habe Speedway in Neuenknick ausprobiert und habe in Rachau auch mal den Berg erklommen, nun wäre ein Asphaltrennen für mich eine echte Herausforderung.“, sagt Kocher mit einem Funkeln in den Augen!



Stock-Car-Rennen

Kleine Regelkunde




Speedway: Die Startplätze werden ausgelost und in einer festgelegten Anzahl von Runden, Punkte nach Platzierungen vergeben.

Crash-Rennen: In einer festen Zeit möglichst viele Punkte durch Anschieben, Drehen oder Überschlagen der Gegner  sammeln.

Rodeo: Alle Klassen fahrem zusammen und derjenige gewinnt, der als letztes noch fahren kann.

 
Erste Klasse:
Bis 1,5 Liter Hubraum.

Zweite Klasse:
Bis 2,0 Liter Hubraum.

Dritte Klasse:
Bis 3 Liter Hubraum.  

Junior-Klasse:
Kinder und Jugendliche gehen mit der Erlaubnis ihrer Eltern und einem Wagen bis 1,6 Liter Hubraum an den Start.

 
· Alle gefährlichen Teile müssen entfernt werden.

· Kühler und Batterie müssen in den Innenraum.

· Ein Überrollkäfig ist Pflicht.

· Ein Spritzschutz für  Kühlwasser muss vorhanden sein.

· Verschraubte Hosenträgergurte sind vorgeschrieben.


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